Abschaffung der Abgeordnetenpension: Vorbild Österreich

Außenaufnahme des beflaggten österreichischen Parlamentsgebäude

Die „Abgeordnetenpension“: in Deutschland ein kontroverses Thema, in Österreich längst abgeschafft. Deutsche Politiker:innen, die stets behaupten, dass ein Einzug von Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung zu komplex sei, können viel von einem einfachen Blick auf unser Nachbarland Österreich lernen. Mit der dortigen Reform durch das Bundesbezügegesetz, das am 01.08.1997 in Kraft getreten ist, wurde das Sondersystem bei der Altersvorsorge für Politiker:innen in Österreich abgeschafft. Die Politiker:innen zahlen stattdessen in die allgemeine Sozialversicherung ein.

Wie kam es zu einer politischen Einigung auf ein Gesetz, das die Privilegien der Abgeordneten selbst betrifft?

Der Prozess begann am 09.07.1996 mit der Entschließung des Nationalrats, eine Einkommenspyramide für alle politischen Funktionen festzulegen. Mit dieser Aufgabe wurde eine unabhängige Expert:innenkommission beauftragt, über deren Vorschläge dann „unverzüglich Parteienverhandlungen aufgenommen“ (S. 33) wurden. Ergebnis dieser Verhandlungen war ein Kompromiss der Sozialdemokraten, der Christdemokraten, der Grünen und der Liberalen, der unter anderem „die Abschaffung aller bezügerechtlichen Pensionen“ (S.33) beinhaltete. Dem stenographischen Protokoll der 75. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich vom 15. Mai 1997 ist zu entnehmen, welche Argumente Abgeordnete verschiedener Fraktionen für die Einigung auf diese Reform hatten.

Ein zentrales Argument ist der Aspekt der Periodengerechtigkeit, den Abgeordneter Dr. Peter Kostelka (SPÖ) hervorhob: „All diese Pensionslasten werden in Zukunft dem Bund erspart werden. Wenn künftig ein Abgeordneter zum Nationalrat aus dem Hohen Hause ausscheidet, ist der Bund sämtlicher Verpflichtungen diesem Abgeordneten gegenüber ledig. Er braucht ihm keinen einzigen Schilling mehr zu bezahlen“ (S.42).

Für Helmut Kukacka (ÖVP) stand der Gerechtigkeits- und Gleichstellungsaspekt zwischen Politiker:innen und Bürger:innen im Vordergrund: „Ich stehe also zu dieser heutigen Lösung […]. Sie ist vielleicht nicht 100prozentig perfekt, enthält vielleicht noch manche kleine Ungerechtigkeit, aber ich meine, sie ist ein wichtiger Meilenstein zu einem objektiven, transparenten Bezügesystem, mit dem unvertretbare Systemfehler abgeschafft werden. Es wird so eine steuerliche und pensionsrechtliche Gleichstellung von Politikern und Bürgern geschaffen“ (S.121).

Der Abgeordnete und spätere Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol (ÖVP) sah in der Abschaffung der Sonderrechte für Politiker:innen eine Möglichkeit, das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Abgeordneten zu stärken: „Wir meinen aber, dass diese Regelung insgesamt dem modernen Politikerbild gerechter wird. […] In der Bevölkerung soll die Meinung herrschen: Da gibt es Politiker, die arbeiten, da gibt es Politiker, die keine Sonderrechte haben, da gibt es Politiker, die sich für die Republik ins Zeug legen“ (S.56).

Ähnlich äußerte sich auch Dr. Heide Schmidt (Liberales Forum), die hervorhob, dass Abgeordnete eine Vorbildfunktion haben: „Es ging uns vor allem darum, daß Politiker nicht irgendeinen automatischen Pensionsbezug haben, sondern dass Politiker und Politikerinnen mit gutem Beispiel vorangehen und Eigenverantwortung zeigen“ (S.48).

Dr. Hans Peter Haselsteiner (Liberales Forum) argumentierte, dass der Abbau von Privilegien bei Politiker:innen notwendig sei, um später glaubwürdiger über die Privilegien anderer Gruppen verhandeln zu können: „Es ist, glaube ich, ganz, ganz entscheidend, dass diejenigen, die nach dieser Debatte die richtigen, fairen, gerechten und weisen Gesetze zu formulieren haben, diese Aufgabe ohne Belastung durch Eigeninteressen wahrnehmen können. Ich glaube, dass uns hier ein entscheidender Schritt gelungen ist, dass wir die Politiker härter drangenommen haben, als wir es uns eigentlich bei anderen vorstellen können – zumindest vorerst. Das, so glaube ich, ist der eigentliche Vorteil. Wir werden uns leichter tun, wenn wir über die Beamten-Privilegien reden, wir werden uns leichter tun, wenn wir über Nationalbank-Privilegien reden, und wir werden uns leichter tun, wenn wir darangehen, diesen Graubereich zwischen Politik und Wirtschaft trockenzulegen. Wenn uns das gelingt, dann, glaube ich, haben wir auch einen großen politischen und demokratischen Fortschritt gemacht“ (S.75f.).

Abgeordneter Andreas Wabl (Grüne) betonte, dass das neue System eine gerechtere Lösung darstelle als das vorherige System: „Wir sind zu einer Lösung gekommen, hinsichtlich derer ich glaube, dass sie noch radikaler sein hätte können. Sie ist aber eine korrekte Lösung, denn bisher war es keine korrekte Lösung […] Da haben Sie recht: Das war ungerecht. Und deshalb haben wir die Lösung gefunden, die nur die Anwartschaften, die bisher erreicht worden sind, festschreibt, und alles andere geht dann in ein Pensionssystem, das nur mehr von dem Gesamtgehalt gelöst wird“ (S.61).

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) betonte: „Natürlich wird es immer so sein […], dass das eine Vereinbarung zwischen vier Parteien ist. Ich verstehe, dass die Grünen, dass die Liberalen, dass die SPÖ und auch wir von der ÖVP in manchen Punkten gerne andere Akzente gesetzt hätten. Aber Demokratie heißt eben, sich zur Einigkeit durchzuringen“ (S.140).

Durch den breiten Konsens der vier Parteien konnte das Gesetz in der dritten Lesung angenommen werden. Dafür stimmten SPÖ, ÖVP, Grüne und Liberale. Die FPÖ stimmte dagegen.

Welche Übergangsregeln gab es in Österreich?

Nach 1997 bestanden zunächst das alte und neue System sowie Übergangsregelungen nebeneinander. All jene, die zum 31.07.1997 schon mindestens zehn Jahre als Abgeordnete im Nationalrat tätig waren, hatten weiter Ansprüche auf die klassische „Politikerpension“ des alten Systems: „Die Höhe der Pension bemisst sich am […] Einstiegsgehalt eines Abgeordneten. […] Die Bemessungsgrundlage für einen Abgeordneten liegt bei 80 Prozent dieses Betrags […] Nach zehn Jahren im Hohen Haus gebühren 60 Prozent der Bemessungsgrundlage, für jedes weitere Jahr kommen zwei Prozent dazu. Nach 30 Jahren ist demnach die maximale Pension erreicht“.

Abgeordnete, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Pensionsberechtigung hatten, konnten sich nach der Übergangsregelung einerseits für eine Teilpension nach dem alten System entscheiden: „Für die Berechnung der Pensionshöhe werden aber nur jene Zeiten herangezogen, die vor dem Stichtag 1. August 1997 liegen. Die Pensionshöhe wird bei dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Anspruch ‚eingefroren’“.

Andererseits konnten sie sich auch für das neue System entscheiden. Das bedeutet, dass sie Ansprüche so wie in jener Sparte in der gesetzlichen Pensionsversicherung [d.h. wie in Deutschland die Rentenversicherung] haben, in der sie vor dem Eintritt in die Politik versichert waren: „In der Zeit vor dem Stichtag 1. August 1997 eingezahlte Beiträge werden für den Nachkauf der Zeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung verwendet“.

Abgeordnete, die nach dem Stichtag in die Politik gekommen sind, verbleiben nach dem neuen System grundsätzlich in der eigenen Pensionsversicherung [d.h. wie in Deutschland die Rentenversicherung]. Konkret bedeutet das: „Während der aktiven Zeit ist ein Pensionsbeitrag von derzeit 12,55 Prozent zu bezahlen (Arbeitnehmerbeitrag). Der Arbeitgeberbeitrag wird vom Bund nach dem Ausscheiden aus dem Amt an die Pensionsversicherung überwiesen“.

Wie der ORF 2021 berichtete, gibt es im Nationalrat mittlerweile keine aktiven Abgeordneten mit Anspruch auf das alte Pensionsmodell mehr.

Das österreichische Vorbild zeigt, dass die Abschaffung der Abgeordnetenpension im politischen Alltag umsetzbar ist. Höchste Zeit also, dass diejenigen deutschen Parteien, die einen Einbezug der Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung fordern, diesen auch endlich umsetzen.

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