Deutschland tut sich mit einer „Aktienrente“ schwer, während andere Länder wie Schweden bereits seit Jahrzehnten kapitalgedeckte Komponenten in das Rentensystem integriert haben. Zuletzt wollte die Ampel-Regierung als Teil des Rentenpakets II eine Stiftung „Generationenkapital“ einrichten, womit „der Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung vollzogen“ (Deutscher Bundestag Drucksache 20/11898, S.26) werden sollte. Dass das Rentenpaket II scheiterte, sorgte bei vielen Fachleuten (und auch bei der SRzG) für Aufatmen, weil es aufgrund anderer Klauseln eine einseitige, milliardenschwere Belastung der jüngeren Jahrgänge bedeutet hätte. Das ändert jedoch nichts daran, dass die kommende demografische Krise der Rentenfinanzen ein Problem ist, das abgemildert werden muss. Und auch ganz unabhängig von der Demografie lohnt es sich, über eine kapitalgedeckte Komponente in umlageorientierten Rentensystemen nachzudenken. Vielmals wird dabei besonders auf das schwedische Modell verwiesen.
Allerdings muss man zunächst die Begrifflichkeiten klären.
Der Begriff „Aktienrente“ kann (mindestens) drei unterschiedliche Bedeutungen haben:
- Eine für alle verpflichtende kapitalgedeckte Komponente innerhalb des Rentenbeitragssatzes, wie zum Beispiel in Schweden 2,5 Prozent von insgesamt 18,5 Prozent. In Deutschland beträgt der Rentenbeitragssatz (derzeit) 18,6 Prozent und enthält keine kapitalgedeckte Komponente.
- Ein Staatsfonds, wie beim gescheiterten Modell der Ampel-Regierung („Generationenkapital“), bei dem kreditfinanziert Geld am Kapitalmarkt angelegt werden sollte, dessen Erträge in das eigenständig bleibende System der Rentenversicherung hätten fließen sollen. Bei einem solchen Modell gibt es prinzipiell keine inhärente Verbindung zwischen den Erträgnissen des Fonds und den Mechanismen des Rentensystems. Genauso gut kann ein solcher Fonds z.B. zur Finanzierung von Bildung verwendet werden. Der norwegische Staatsfonds verwendet seine Erträge nicht nur für die dortige Rentenversicherung. Vor allem aber ist er nicht kreditfinanziert, wie es das so genannte „Generationenkapital“ der Ampel (das wenig mit Generationengerechtigkeit zu tun gehabt hätte) gewesen wäre.
- Eine staatliche Subventionierung von privater, freiwilliger Altersvorsorge (also in der so genannten dritten Schicht) wie in Deutschland bereits seit langem die Riester- und Rürup-Rente, und zukünftig die im Koalitionsvertrag 2025 vorgesehene „Frühstart-Rente“.
Aber wie genau funktioniert nun das schwedische Modell einer staatlichen Aktienrente? Und können wir sonst noch etwas von der Altersvorsorge in Schweden lernen?
Von den 18,5% Rentenbeitrag zur staatlichen Altersrente in Schweden werden nur 16% zur Finanzierung des Umlageverfahrens für die „Einkommensrente“ zugerechnet. Die verbleibenden 2,5% werden der sogenannten „Prämienrente“ zugerechnet, die in Fonds angelegt wird. Dies ist für alle verpflichtend, es gibt also keine ‚Opt-Out‘-Option. Bei der Prämienrente kann individuell selbst gewählt werden, in welche Fonds das Geld platziert werden soll, oder ob es im staatlich ausgewählten Fonds AP7 Såfa belassen werden soll. Beim staatlich ausgewählten Fonds AP7 Såfa sind die Sparoptionen auf das Alter zugeschnitten: der Aktienanteil und das Risiko sind höher, wenn noch viel Zeit bis zur Rente bleibt und das Risiko sinkt, wenn man älter wird. Dies soll die bestmögliche Chance auf Kapitalwachstum über die gesamte Lebenszeit bringen und gleichzeitig im Alter vor dem Risiko eines Börsencrashs schützen.
Abbildung 1: Der Rentenbeitrag in Schweden setzt sich aus zwei Komponenten zusammen
Wie werden die zwei Komponenten der staatlichen Altersrente in Schweden finanziert?
Während in Deutschland der Rentenbeitragssatz jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen wird, zahlen in Schweden vom Gehalt/Einkommen jedes und jeder Beschäftigten die Arbeitgeber:innen einen Rentenbeitrag von 10,21% und die Arbeitnehmer:innen zahlen einen Rentenbeitrag in Höhe von 7%. Da die Zahlung der Arbeitnehmer:innen im Rahmen des Lohnsteuerabzugs erfolgt, erhalten sie einen Steuerabzug in Höhe des allgemeinen Rentenbeitrags. Das bedeutet, dass dieser letztlich durch allgemeine Steuermittel finanziert wird, weil Beschäftigte ihre Beiträge rückerstattet bekommen. Die 18,5% Rentenbeitrag werden auf die verminderte Einkommensbasis nach dem Abzug der 7% berechnet, wodurch die scheinbare Abweichung zu den insgesamt 17,21% Rentenbeitrag auf das gesamte Einkommen zustande kommt, die sich ergibt wenn man den reinen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammenrechnet.
Falls man auch in Deutschland einen Prämienrentenbeitrag (zusätzlich zum Einkommensrentenbeitrag von derzeit ja 18,6 Prozent) erheben wollte, so sollte man wohl das in Deutschland etablierte System einer Ko-Finanzierung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beibehalten. Das komplizierte schwedische Modell der Rückerstattung der Beiträge über die Steuer ist intransparent und nicht für Deutschland empfehlenswert.
Was sind die Vorteile einer Ergänzung durch Kapitaldeckung?
Da sowohl das Umlageverfahren als auch das Kapitaldeckungsverfahren jeweils für unterschiedliche Risiken anfällig sind, kann eine Kombination ausgleichend wirken. Die Belastungen die für das Umlageverfahren durch den demografischen Wandel entstehen, können abgedämpft werden. Außerdem muss der Staatshaushalt prinzipiell nicht durch ein solches System belastet werden, weil es sich um eine ‚intrapersonale Umverteilung‘ sozusagen vom jungen Ich zum alten Ich handelt. Eine mögliche kostenneutrale Ausgestaltung Ausgestaltung eines Prämienbeitrags für eine Aktienrente (nach Nr.1 der obigen Begriffsdefinition) unterscheidet sich damit zum Beispiel von der vorgeschlagenen „Frühstart-Rente“ des schwarz-roten Koalitionsvertrags als staatliche Förderung privater Altersvorsorgeprodukte (Nr. 3 der obigen Begriffsdefinition).
In Schweden gibt es eine Erwerbstätigenversicherung
In Schweden zahlen alle Erwerbstätigen ab dem 16. Lebensjahr solidarisch in die staatliche Altersrente ein. Davon sind auch Abgeordnete und staatliche Angestellte nicht ausgeschlossen. Abgeordnete erhalten zur staatlichen Altersrente einen Zuschuss vom Parlament, der der betrieblichen Altersvorsorge der Arbeitnehmer:innen der zweiten Säule entspricht. Die SRzG unterstützt auch in Deutschland die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, und sieht als ersten wichtigen Schritt auf diesem Weg die Einbeziehung von Abgeordneten in die gesetzliche Rentenversicherung (gRV). Eine zweite Schicht der Altersversorgung der Abgeordneten sollte auch in Deutschland aus einer Zusatzversorgung kommen, die sich von der Höhe her am Betriebsrentenanspruch in der Privatwirtschaft orientiert.
Was kann Deutschland denn nun wirklich übernehmen?
Die Übertragung des Rentensystems eines Landes auf ein anderes ist grundsätzlich schwierig, weil diese Systeme immer historisch gewachsen sind und bestehende Regelungen entsprechend der Lebenserwartung der Versicherten oft „eine sehr lange Laufzeit“ haben. Allerdings muss die Altersversorgung in Deutschland aufgrund der Probleme, die für das Umlageverfahren durch den demografischen Wandel entstehen, neu gedacht werden. Und warum das Rad neu erfinden, wenn andere Länder wie zum Beispiel Schweden als Vorbilder dienen können?
Erstens sollte Deutschland die Erwerbstätigenversicherung übernehmen. Wie in Schweden sollten auch in Deutschland alle solidarisch in die gRV einzahlen. Als ersten Schritt sollten dafür die Abgeordneten ihre eigene Altersvorsorge reformieren. Sie sollten in die gRV einzahlen, wie der Großteil der Bevölkerung auch. Eine zweite Schicht der Versorgung kann sich an Betriebsrentenansprüchen orientieren, wie auch in Schweden.
Zweitens sollte es auch in Deutschland einen kapitalgedeckten Anteil in der ersten Schicht geben. Da die Lohnnebenkosten in Deutschland bereits sehr hoch sind und eine mögliche zusätzliche Belastung durch eine weitere Pflichtversicherung daher gering gehalten werden sollte, spricht sich die SRzG für eine Übernahme des schwedischen staatlichen Aktienrente-Modells in geringerem Umfang aus, nämlich mit nur einem Prozent des sozialversicherungspflichtigen Einkommens. Dies sollte zur Hälfte jeweils von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen werden.
Abbildung 2: Der Rentenbeitrag in Deutschland, wie er nach einer Reform aussehen würde
Wenn heute in Deutschland der 18,6prozentige Beitragssatz für ein Beitragseinkommen von 290 Mrd. Euro bei der Deutschen Rentenversicherung sorgt, dann bedeutet 1 Prozentpunkt aus dem Beitragssatz rund 15,6 Mrd. Euro Beitragseinkommen für die Rentenversicherung. Die SRzG fordert hier 1 Prozentpunkt zusätzlich für die neue Prämienrente, der hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu finanzieren wäre, also durch eine Erhöhung des Beitragssatzes zur gRV auf 19,6 Prozent aufzubringen wäre (davon 18,6 % für die Einkommensrente und 1 % für die neue Prämienrente). Das folgt dem Grundsatz „Rentenhöhe folgt Beitragshöhe“. Warum nicht ein zusätzlicher Bundeszuschuss in Höhe von 15,6 Mrd. Euro? Oder eben Einsparungen in den nicht-beitragsdeckenden Leistungen, dann wären diese 15,6 Mrd. Euro Teil des Bundeszuschusses, der dann aber insgesamt nicht höher ausfiele als heute? Weil bei letzterer Finanzierungsart dann nicht für jeden Beitragszahlenden ein individuelles Prämienrentenkonto angelegt werden könnte. Der Grundsatz „Rente folgt Bundeszuschuss“ führt eben nicht zu individuellen Rentenansprüchen.